Wird wegen unseres Fleischkonsums der Regenwald abgeholzt?

Die Behauptung:

Die großen Regenwaldflächen in Südamerika sind für das Weltklima unersetzlich. Es wird aber immer mehr davon abgeholzt, weil auf den Flächen im Amazonas-Gebiet Soja angebaut wird, das bei uns in der Tiermast eingesetzt wird. Weil der Bedarf ständig steigt, geht immer mehr Regenwald verloren.

Die Fakten:

Tatsächlich werden vor allem in Brasilien seit vielen Jahren große Flächen an Regenwald gerodet, was eine große Belastung für das globale ökologische Gleichgewicht bedeutet. Im Durchschnitt der letzten zehn Jahre gingen jährlich rund vier Millionen Hektar verloren.1

Es ist richtig, dass ein Teil, der auf diese Weise erschlossenen Flächen landwirtschaftlich genutzt wird. Dabei spielt auch der Soja-Anbau eine nennenswerte Rolle. Allerdings gibt es eine Vielzahl weiterer Faktoren. Die Tropenwaldstiftung „Oro Verde“ nennt als weitere Treiber der Rodung die Edelholzernte und den Abbau von Bodenschätzen wie Gold, Coltan oder auch Erdöl. Zusätzlich sorgen Infrastrukturprojekte, zu denen auch Staudämme und andere großflächige Eingriffe gehören, für den Verlust von Tropenwald.2 Ein wichtiger Faktor ist auch die Nutzung als Weidefläche.

Bei der landwirtschaftlichen Nutzung geht es häufig um Produkte für den Export nach Nordamerika, Asien und Europa. Neben Soja für Tierfutter sind hier Palmöl für die Lebensmittel und Kosmetikindustrie und als Biodiesel, Eukalyptus für die Papierindustrie sowie Kaffee, Kakao und Südfrüchte zu nennen.

Der Soja-Anbau für Tierfutter ist also nur ein Faktor unter vielen. Auch ist es so, dass die landwirtschaftliche Nutzung der gerodeten Fläche eine wirtschaftliche Notwendigkeit der Menschen dort darstellt. Da es keine alternativen Einkommensquellen gibt, werden immer mehr Flächen urbar gemacht, um mit dem Verkauf der landwirtschaftlichen Erzeugnisse Einkommen zu erzielen.3 Richtig ist aber auch, dass große Konzerne dabei ordentlich mitverdienen.4

Die Gründe für die Abholzung liegen also tiefer, sie allein dem Futtermittelbedarf zuzuschreiben, ist unzutreffend. Selbst wenn kein Futtermittel nachgefragt würde, würde das für die Brasilianer an der Notwendigkeit der landwirtschaftlichen Nutzung nichts ändern. Dennoch bleibt richtig: Es wird Soja von dort nach Deutschland exportiert, damit es hier als Basis für Lebensmittel und Futter eingesetzt werden kann. Allerdings nimmt diese Menge in Deutschland nicht zu, sondern seit einigen Jahren wieder ab, während der Anbau in Deutschland zunimmt. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Fraktion Bündnis90/Die Grünen aus dem Jahr 2020 hervor.5 Das heißt, dass der weltweit steigende Bedarf an Futtersoja mit all seinen Folgen nicht auf den Fleischkonsum in Deutschland zurückzuführen ist. Es handelt sich eher um ein Problem des wachsenden Fleischkonsums in Schwellenländern.



Das Fazit:

Die besorgniserregende Regenwaldabholzung hat eine Vielzahl von Gründen, vor allem soziale und ökonomische Gründe in den betroffenen Regionen. Auch dort, wo schließlich Landbau betrieben wird, ist Soja nicht die Ursache des Problems, sondern eine von vielen Möglichkeiten für die Menschen vor Ort, weltweit nachgefragte Produkte zu erzeugen. Ist es kein Soja, dann ist es etwas anderes.

Trotzdem darf man die Verantwortung nicht wegschieben. Es ist gut, dass die Importe aus Regenwaldregionen zurückgehen und stattdessen der Anbau von Eiweißpflanzen in Deutschland zunimmt. Dieser Trend sollte sich fortsetzen. Durch den hohen Anteil heimischer Futtermittel ist es jedenfalls so, dass der Verzicht auf Fleisch hier in Deutschland dem Regenwald keine Hilfe ist.


Quellenverzeichnis:

  1. de.statista.com/statistik/daten/studie/1184901/umfrage/verlust-der-globalen-regenwaldflaeche/
  2. www.regenwald-schuetzen.org/regenwald-wissen/regenwald-zerstoerung/warum-wird-der-regenwald-abgeholzt
  3. amazonas.de/kleinbauern-roden-urwald/
  4. www.zalf.de/de/aktuelles/Seiten/ZALF/Regenwald-Felder-statt-Waelder.aspx 5 Bundestags-Drucksache 19/23345 

Über den Autor:

Fleischermeister Dirk Ludwig aus Schlüchtern

Dirk Ludwig ist Fleischermeister und Experte für Fleischverdelung

Aufgewachsen ist Dirk Ludwig im osthessischen Luftkurort Schlüchtern(*1974), wo er schon früh die Leidenschaft für das Unternehmertum für sich entdeckte. Von der Bergwinkelstadt Schlüchtern ging es in den Vogelsberg zur Berufsausbildung als Fleischer nach Schlitz. Daran schloss sich die Ausbildung zum Fleischermeister und Betriebswirt des Handwerks an. Danach folgte in Nürnberg die Ausbildung zum REFA-Experten. Im Jahr 2016 gehörte Dirk Ludwig als Teilnehmer zum ersten Deutschen Lehrgang zum Fleischsommelier in Augsburg. Inzwischen lehrt Dirk Ludwig selbst an der Fachschule des Bayrischen Metzgerhandwerks in der Fuggerstadt.