Wieviel Wasser wird durch die Fleischproduktion verbraucht?

Die Behauptung:

Die Produktion von Fleisch verbraucht Unmengen an Wasser. Bei Schweinefleisch werden pro Kilogramm fast 6.000 Liter eingesetzt, bei Rindfleisch sind es sogar mehr als 15.000 Liter. Angesichts der Tatsache, dass das verfügbare Trinkwasser weltweit immer knapper wird, ist das nicht zu rechtfertigen. Fleischkonsum ist schon aus diesem Grund unverantwortlich.

Die Fakten:

Richtig ist, dass in der landwirtschaftlichen Produktion Wasser eingesetzt wird, das liegt sowohl bei der Erzeugung pflanzlicher als auch tierischer Lebensmittel auf der Hand. Die Behauptung führt dennoch in die Irre, sie ist eine verzerrende Verkürzung der Tatsachen. Richtig ist:

  1. Wieviel Wasser eingesetzt wird und vor allem, welche Folgen das hat, hängt in großem Maß vom jeweiligen Erzeugerland ab. Es ist ein großer Unterschied, ob von einem wasserreichen Land ohne Wassermangel (z. B. Deutschland) oder von trockenen Regionen der Welt die Rede ist. Bewusst wird in diesem Zusammenhang mit weltweiten Durchschnittszahlen argumentiert, weil damit das Problem deutlich größer erscheint als es in Deutschland ist.
  2. Es kommt nicht nur darauf an, wieviel Wasser eingesetzt wird, sondern um welches Wasser es sich handelt. Die ausgewiesenen enormen Mengen beziehen sich auf sogenanntes „virtuelles Wasser“. Dieser Begriff wurde Anfang der 1990er Jahre von John Anthony Allen entwickelt. Der britische Geograph wollte damit eine Berechnungsgrundlage schaffen, wieviel Wasser in trockenen Regionen für Agrar-Produkte eingesetzt wird, die anschließend exportiert werden. Im Grunde ging es darum, den Export von Wasser aus trockenen Regionen zu bilanzieren. Insbesondere soll transparent gemacht werden, dass wasserintensive und exportorientierte Agrarnutzung in Trockenregionen der Erde ökologisch unsinnig und wirtschaftlich vergleichsweise unrentabel ist.1
  3. Beim virtuellen Wasser wird unterschieden zwischen Regenwasser, Schmutzwasser und Trinkwasser. Es wird auch von grünem, grauem und blauem Wasser gesprochen. Regenwasser und Schmutzwasser werden in diesem Sinne nicht „verbraucht“, sondern „genutzt“. Es geht nicht verloren, es bleibt dem Wasserkreislauf erhalten. Dasselbe gilt grundsätzlich auch für Trinkwasser, allerdings ist die unmittelbare Verfügbarkeit als Trinkwasser dann zunächst verloren.
  4. Nach Angaben der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung zählt die Landwirtschaft in Deutschland zu den Wirtschaftsbereichen mit dem geringsten Bedarf an blauem Wasser. Insgesamt wird dort nur etwa 1 Prozent der benötigten Wassermenge verbraucht. Zum Vergleich: Auf Haushalte entfallen zehn Prozent, auf Kraftwerke etwa 60 Prozent. Der größte Bedarf in der Landwirtschaft entsteht durch Bewässerung von Gemüse oder Kartoffeln.2 Weltweit ist das anders: Global ist die Landwirtschaft mit Abstand der größte Wasserverbraucher. Das liegt vor allem am großen Bewässerungsbedarf in wasserarmen Gebieten der Tropen und Subtropen.
  5. Bei der Fleischproduktion in Deutschland wird ganz überwiegend Regenwasser (gut 93 %) und Schmutz- oder Brauchwasser (rund 3 %) eingesetzt. Lediglich die verbleibenden knapp 4 % sind Trinkwasser, das aus der Wasserversorgung oder aus Brunnen entnommen wird.3
  6. Um einzuordnen, welche Auswirkungen die Nutzung von dieser Menge Trinkwasser auf die Umwelt hat, lohnt der Vergleich mit pflanzlichen Lebensmitteln, die in großer Zahl aus wasserarmen Regionen importiert werden. Die benötigte virtuelle Wassermenge je Kilogramm ist zum Beispiel bei Mandeln etwa gleich groß wie bei Rindfleisch. Mandelbäume im regenarmen Kalifornien werden aufwändig bewässert, was den regionalen Wasserhaushalt nachhaltig stört. Nur etwa 10 – 20 % des dort eingesetzten Wassers ist grün, dagegen sind fast 40 % blaues Wasser. 4 Dieser Vergleich ist auch insoweit bedeutsam, als dass Mandeln auch als Basis für Milchersatzprodukte dienen, die angeblich ökologischer und gesünder sind.
  7. Der undifferenzierte Blick allein auf den virtuellen Wasserverbrauch ist nur wenig aussagekräftig, was man auch an einem anderen Vergleich erkennt. Hierzulande wird für die intensive Haltung von Rindern insgesamt rund 10.000 Liter virtuelles Wasser eingesetzt, bei extensiver Weidehaltung ist es mehr als doppelt so viel. Allerdings: Der Anteil an grünem, also ohnehin verfügbarem Regenwasser ist bei der Weidehaltung deutlich größer, weswegen insgesamt weniger blaues Wasser eingesetzt werden muss.
  8. Die Umweltschutzorganisation WFF hat in einer Studie 2021 untersucht, welche Auswirkungen unsere Ernährung auf den Wasserverbrauch hat.5 Hier wird mit dem Begriff „Wasserknappheitsfußabdruck“ untersucht, welche Produkte zum Verlust an Wasser beitragen. Ergebnis: „Nur 18 % des für unsere Ernährung nötigen Wasserverbrauchs gehen auf das Konto tierischer Lebensmittel. Wie an anderer Stelle bereits erwähnt, erklärt sich das dadurch, dass der Anbau von Futtermitteln für die Tierhaltung kaum auf Bewässerung angewiesen ist, darunter der Anbau von Weizen, Soja, Raps oder Gerste.“
  9. Als Folge dieser Zusammenhänge zeigt die WFF-Studie, dass der Wasserverbrauch einer Person stark ansteigt, wenn sie die Ernährung umstellt. Bei derzeit üblicher Ernährungsweise berechnen die WFF-Wissenschaftler einen Wasserverbrauch allein durch die Ernährung von 29,2 m3 pro Person und Jahr. Bei Vegetariern sind es 39,4 m3 und bei 93% 4% 3% Virtuelles Wasser bei Rindfleisch Regenwasser Trinkwasser Brauchwasser Quelle: Mekonnen und Hoekstra (2010); „ The green, blue and grey water footprint of farm animals and animal products“ Veganern steigt der Wasserverbrauch sogar auf 45,4 m3 pro Person und Jahr. Auch das ist Resultat der genannten Ursache: Bei der Erzeugung von tierischen Lebensmitteln muss nur sehr wenig blaues Wasser eingesetzt werden, bei pflanzlichen Lebensmitteln durch die Bewässerung jedoch ungleich mehr.


Das Fazit:

Die Produktion von Lebensmitteln ist nur möglich, wenn man Wasser einsetzt, das haben Lebensmittel pflanzlichen oder tierischen Ursprungs gemeinsam. Wieviel Wasser eingesetzt wird, um welches Wasser es sich handelt und welche ökologischen Folgen das hat, hängt vor allem davon ab, in welcher Region auf dem Globus die Lebensmittel produziert werden.

Die häufig verbreitete Schreckenszahl von 15.000 Litern Wasserverbrauch pro Kilo Rindfleisch vermittelt ein völlig falsches Bild. Durch das Weglassen wichtiger Informationen wird eine Umweltschädlichkeit konstruiert, die es faktisch nicht gibt.

In Deutschland erzeugtes Fleisch schneidet im Vergleich sehr gut ab, in jedem Fall weitaus besser als viele pflanzliche Lebensmittel. Einerseits herrscht in Deutschland nach wie vor kein Wassermangel und andererseits wird hierzulande bei der Futtermittelproduktion und in der Tierhaltung nur sehr wenig Trinkwasser, sondern überwiegend Regen- und Brauchwasser eingesetzt, das dem regionalen Wasserkreislauf nicht entzogen wird. Wasser wird also nicht verbraucht, sondern genutzt.


Quellenverzeichnis:

  1. www.chemie.de/lexikon/Virtuelles_Wasser.html#:~:text=Zieht%20man%20die%20Bilanz%20des,verbrauchte%20Menge%20pro%20Produkt%20anfällt.
  2. www.ble-medienservice.de/0433/ein-gutes-troepfchen-wasser-in-der-landwirtschaft
  3. http://waterfootprint.org/media/downloads/Report-48-WaterFootprint-AnimalProducts-Vol1.pdf
  4. www.durstige-gueter.de/mandel/
  5. www.wwf.de/fileadmin/fm-wwf/Publikationen-PDF/Landwirtschaft/WWF-Studie-Kulinarischer-Kompass-Wasser.pdf

Über den Autor:

Fleischermeister Dirk Ludwig aus Schlüchtern

Dirk Ludwig ist Fleischermeister und Experte für Fleischverdelung

Aufgewachsen ist Dirk Ludwig im osthessischen Luftkurort Schlüchtern(*1974), wo er schon früh die Leidenschaft für das Unternehmertum für sich entdeckte. Von der Bergwinkelstadt Schlüchtern ging es in den Vogelsberg zur Berufsausbildung als Fleischer nach Schlitz. Daran schloss sich die Ausbildung zum Fleischermeister und Betriebswirt des Handwerks an. Danach folgte in Nürnberg die Ausbildung zum REFA-Experten. Im Jahr 2016 gehörte Dirk Ludwig als Teilnehmer zum ersten Deutschen Lehrgang zum Fleischsommelier in Augsburg. Inzwischen lehrt Dirk Ludwig selbst an der Fachschule des Bayrischen Metzgerhandwerks in der Fuggerstadt.