Macht der Verzehr von tierischen Fetten krank?

Die Behauptung:

Tierische Fette, die mit der Nahrung aufgenommen werden, enthalten viele gesättigte Fettsäuren. Sie werden mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten in Verbindung gebracht, da sie im Blut den Anteil des „schlechten“ Low-Density-Lipoprotein-Cholesterins (LDL) erhöhen. Deshalb wird der Verzehr von Lebensmitteln mit hohem Anteil an gesättigten Fettsäuren nur in geringen Mengen empfohlen. Dazu zählen vor allem Lebensmittel tierischen Ursprungs wie rotes Fleisch, Butter oder Käse.

Die Fakten:

Die Behauptung basiert auf einer Vielzahl von Studien, die jedoch alle eine gemeinsame Schwäche haben: Sie stehen wissenschaftlich auf tönernen Füßen, weil sie zwar statistische Zusammenhänge aufzeigen, über die Ursachen dieser Zusammenhänge jedoch keine Aussagen treffen können.

Man kann diese Schwäche an einem bei Statistikern beliebten Beispiel anschaulich machen: Überall da, wo es in Deutschland viele Störche gibt, ist die Geburtenrate deutlich höher als anderswo. Nun ist es natürlich Unfug, aus diesem Zusammenhang ableiten zu wollen, dass der Storch die Kinder bringt, denn dieser statistische „Beweis“ hat offensichtlich ganz andere Ursachen, wahrscheinlich Unterschiede zwischen Stadt und Land.

In ernährungswissenschaftlichen Studien wird aber sehr häufig genau so gearbeitet. Es werden statistische Zusammenhänge ermittelt und daraus unzulässigerweise Kausalitäten abgeleitet. Das ist nicht nur unwissenschaftlich, sondern in vielen Fällen auch schlicht falsch.

Es wundert deshalb nicht, dass die Behauptung, tierisches Fett würde Herz-Kreislauf-Erkrankungen fördern, von immer mehr Wissenschaftlern infrage gestellt wird. Das „Ärzteblatt“, das von der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung herausgegeben wird, beschäftigte sich 2021 in einem ausführlichen Artikel mit neueren Erkenntnissen, die eine ganz andere Sicht der Dinge nahelegen.1

Die wichtigsten Aussagen, die in dem Artikel getroffen werden und die sich jeweils auf wissenschaftliche Untersuchungen stützen, sind folgende:

  1. Schaut man sich die aktuelle Datenlage an, gibt es in der Tat keine eindeutige Evidenz für einen schädigenden Effekt gesättigter Fette.
  2. Der Bezug zum LDL-Cholesterin ist ebenfalls fraglich, da gesättigte Fettsäuren vermutlich nicht die kleinen, gefährlichen LDL-Partikel erhöhen, sondern eher die großen, ungefährlichen LDLs.
  3. Erst der ganzheitliche Effekt aller Inhaltsstoffe von Lebensmitteln ist es, der mitunter einen positiven oder negativen Effekt auf unsere Gesundheit hat. Aus diesem Grund wird für den Freispruch einiger Lebensmittel plädiert, die reich an gesättigten Fetten sind, aber auch eine gesundheitsfördernde „Nahrungsmatrix“ besitzen: Darunter fallen unter anderem Vollmilch, Käse, dunkle Schokolade und unverarbeitetes rotes Fleisch.
  4. Es ist fraglich, ob die akademisierte Diskussion über die Fettsäure-Komposition in der Ernährung für die Patienten überhaupt hilfreich ist oder ob sie nur den Herstellern hilft, die Verbraucher durch falsche Produktversprechungen in die Irre zu führen.
  5. Der Nutri-Score gibt Lebensmitteln mit einem hohen Anteil an gesättigten Fettsäuren Minuspunkte und macht sie damit möglicherweise ungesünder als sie sind.


Das Fazit:

Aus wissenschaftlicher Sicht ist die Behauptung, dass tierische Fette krank machen, wegen fehlender Nachweise nicht haltbar. Deswegen ist auch eine Ableitung von Ernährungsempfehlungen hieraus in höchstem Maße fragwürdig.

Es ist tatsächlich so, dass sich unter Wissenschaftlern eine sehr lebhafte und kontroverse Debatte darüber entwickelt hat, welche Sicht der Dinge die richtige oder wenigstens die wahrscheinliche ist. Wegen des Fehlens wirklich aussagefähiger Studien kann es hierauf nach derzeitigem Stand nur eine Antwort geben: Man weiß es nicht genau.

Aus ganz unterschiedlichen Gründen macht die Einbeziehung von Lebensmitteln tierischen Ursprungs, also auch Fleisch- und Milchprodukte, in die Ernährung Sinn. Die einzig nachvollziehbare und richtige Empfehlung muss also lauten: Iss von allem, aber von nichts zu viel, dann ernährst du dich gesund.


Quellenverzeichnis:

  1. www.aerzteblatt.de/archiv/217927/Ernaehrung-Gesaettigte-Fette-nicht-verteufeln

Über den Autor:

Fleischermeister Dirk Ludwig aus Schlüchtern

Dirk Ludwig ist Fleischermeister und Experte für Fleischverdelung

Aufgewachsen ist Dirk Ludwig im osthessischen Luftkurort Schlüchtern(*1974), wo er schon früh die Leidenschaft für das Unternehmertum für sich entdeckte. Von der Bergwinkelstadt Schlüchtern ging es in den Vogelsberg zur Berufsausbildung als Fleischer nach Schlitz. Daran schloss sich die Ausbildung zum Fleischermeister und Betriebswirt des Handwerks an. Danach folgte in Nürnberg die Ausbildung zum REFA-Experten. Im Jahr 2016 gehörte Dirk Ludwig als Teilnehmer zum ersten Deutschen Lehrgang zum Fleischsommelier in Augsburg. Inzwischen lehrt Dirk Ludwig selbst an der Fachschule des Bayrischen Metzgerhandwerks in der Fuggerstadt.